Josef Lidl

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Josef Lidl

Josef Lidl (*22. August 1911 in Mährisch Trübau, † 15. April 1999 in Weißenburg) war eine herausragende Persönlichkeit des kulturellen Lebens im Raum Weißenburg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mehrere Begabungen und Ereignisse sollten sein Leben kennzeichnen:

  • seine Geburtsheimat
  • sein volkskundliches Interesse
  • seine musikalische Begabung
  • seine zeichnerische Begabung

Leben, Beruf

Lidl wurde im Schönhengstgau geboren, der damals größten deutschen Sprachinsel an der böhmisch-mährischen Grenze. Sie war von 1938 bis 1945 Teil des Sudetenlandes und damit des Deutschen Reiches. Josef Lidl hatte zwei Brüder. Sein Vater war Brauführer im Bürgerlichen Brauhaus. Nach der Schulzeit in Mährisch Trübau studierte er in Prag Kunst und Musik und war danach Gymnasiallehrer in Neutitschein. Der 1937 geschlossenen Ehe mit Erni Janiczek entstammt eine Tochter: Gerti Lidl-Griesbauer, die in Weißenburg lebt. 1939 wurde Lidl nach Mährisch Trübau versetzt, aber schon 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen. Nach Kriegsdienst und russischer und tschechischer Gefangenschaft fand er nach seiner Vertreibung 1946 seine Frau in Treuchtlingen wieder, die hier im Schuldienst stand. Er selbst bekam 1947 eine Anstellung am Gymnasium in Weißenburg, wo er bis zu seiner Pensionierung 1976 als Gymnasialprofessor unterrichtete.

Musik und Volkskunde - Schaffen bis zur Vertreibung

Mit acht Jahren erhielt Josef Lidl Geigenunterricht. Später erlernte er auch das Klavierspiel. 1923 erlebte Josef Lidl das Abschlusssingen der "1. Finkensteiner Woche" am Trübauer Marktplatz, das ihn sehr beeindruckte. 1924 stieß er zum "Wandervogel", einer Gemeinschaft junger Menschen, die sich neben dem Wandern vor allem dem Volkslied, der Volkskunst, der Volksmusik und dem Volkstanz widmete. Schon während seiner Schulzeit in seiner Heimatstadt musizierte Josef Lidl in verschiedenen Gruppen mit und gründete 1927 ein eigenes Streichquartett, dem seine spätere Frau Erni und ein Bruder angehörten. Während seines Hochschulstudiums in Prag belegte er auch an der Akademie für Bildende Künste das Fach Graphik. In dieser Zeit gehörte er der Singgemeinde, einem Streichquartett und dem "Collegium musicum" an, hielt aber stets Verbindung zur Trübauer Wandervogelgemeinde. So kam Lidl als Grenzlanddeutscher schon früh mit dem tschechischen Nachbarvolk in Kontakt, konnte seine Sprache und erkannte, wie wertvoll es ist, in einer Heimatgemeinschaft eingebunden zu sein. Er widmete sich der Volkskunde, zeichnete in den Ferien Giebelsprüche mitsamt Bemalung von Schönhengster Bauernhäusern und fotografierte die dortigen Kunstwerke. Leider gingen diese Arbeiten größtenteils verloren. Erfolgreich setzte er sich zusammen mit Adolf Jenisch für die Erneuerung und Wiedereinführung der Schönhengster Tracht ein.

Als junger Lehrer war er drei Jahre Kunst- und Musikerzieher in Neutitschein in Nordmähren, einer Stadt an der deutsch-tschechischen Sprachgrenze mit damals 9.800 deutschen und 4.240 tschechischen Einwohnern.[1] Lidl bemerkt dazu: "Vor meiner Anstellung in Neutitschein war ich einige Wochen an der deutschen Kulturverbandsschule in Jablunkau tätig. Es war eine deutsche Minderheit mitten zwischen Polen, Goralen und einigen Tschechen. Hier lernte ich eine mustergültige Opfer- und Einsatzbereitschaft für die eigenen Landsleute bei gleichzeitigem gutem Einvernehmen mit der anderssprachigen Bevölkerung kennen."

Lidls musikalisches Schaffen nach 1946

1954 war Josef Lidl ein Mitbegründer der "Schönhengster Sing- und Spielschar", die sich bis heute der Pflege des Singens, Musizierens und Volkstanzes widmet mit dem Schwerpunkt auf der sudetendeutschen Tradition. Dabei war Lidl häufig Leiter des Chorsingens und der Instrumentalmusik. Er selbst spielte Geige, Bratsche, Cello und Klavier. Er begleitete die Spielschar auf Fahrten nach England, Frankreich und Schweden, wirkte bei Ostersingwochen der Walther-Hensel-Gesellschaft mit, die das erneuerte Volkslied pflegt, schwerpunktmäßig das aus den Vertreibungsgebieten.
Mit viel Akribie und Liebe veröffentlichte Lidl Volksmusik aus dem Schönhengstgau in den Jahrbüchern und unterstützte künstlerisch Notensammlungen und Volksmusik aus dem Böhmerwald.

Am Weißenburger Gymnasium ließ Lidl das Schulorchester und den Schulchor wieder aufleben. Von 1960 bis 1986 leitete Lidl das Weißenburger Kammerorchester, das er ins Leben gerufen hatte, und unterhielt mit seiner Frau ein gefragtes Streichquartett. Ab 1973 rief er Laienmusiker aus dem Raum Weißenburg nach Kurtatsch in Südtirol, um zu deren eigenen Vergnügen vor allem Werke der Klassik zu spielen. Aus diesen Anfängen ist heute ein über die Grenzen Bayerns hinaus bekanntes Festival geworden, auf dem an die einhundert Musiker die großen symphonischen Werke der Orchesterliteratur spielen.

Lidls Einsatz im heimatkundlich-volkskundlichen Bereich

für den Schönhengstgau

J. Lidl: Mähr. Trübau

Kurz nach dem 2. Weltkrieg organisierte er dasersten Treffens der Vertriebenen aus Mährisch Trübau 1952 in Treuchtlingen sowie mehrere Treffen der böhmisch-mährischen Wandervogelgemeinde. Er war Gestalter des Schönhengster Jahrbuches und Herausgeber mehrerer Bildbände. Zudem unterstützte er die Gestaltung des 1988 eröffneten Schönhengster Heimatmuseums in Göppingen /Wttbg. (zwei große Ausstellungsräume und drei Nebenräume). Seiner Werke wurden bei der Eröffnung des Walther-Hensel-Begegnungszentrums 1992 in Mährisch Trübau, wo er schon 1932 und 1942 ausgestellt hatte, sowie 2011 in denselben Räumen anlässlich seines 100. Geburtstages gezeigt.

im Weißenburger Raum

Lidl war an der Einrichtung der volkskundlichen Räume des ehemaligen Weißenburger Heimatmuseums 1967 beteiligt und erstellte unentgeltlich die Entwürfe, Pläne und Bildhauerarbeiten für die ökumenischen Kapelle in Massenbach (1969). Ab 1970 half er beim Aufbau des Volkskundemuseums in Treuchtlingen als größtes Volkskundemuseum, das nach dem 2. Weltkrieg in Bayern entstanden ist. Lidl zog als Sammler durch die Dörfer, um auf Dachböden, in Kammern, Kellern, Scheunen und Schuppen wertvolle Geräte, Geschirr, Möbel und Kleidung sicherzustellen, ehe diese endgültig verloren gegangen wären (20.000 Exponate). Zudem war er an der Herausgabe bzw. Mitgestaltung mehrerer Heimatbücher im Weißenburger Raum beteiligt und war im Ehrenamt Stellvertretender Stadtheimatpfleger von Weißenburg.

Der Graphiker

Linolschnitt: Blick vom Weißenburger Rathaus zum Spitaltor

Lidl fertigte Bleistiftskizzen ebenso an wie Tuschzeichnungen, gelegentlich auch Aquarelle. Er hatte ein Augenmaß für die unaufdringliche Schönheit, für Ausgewogenheit und Ebenmaß alter Bauwerke, aber auch für die Dinge des täglichen Lebens. Er sah die Schönheit eines von Mühsal zerfurchten Gesichtes ebenso wie eine ansprechende Geländeform und fertigte Reiseskizzen oft in nur wenigen Minuten an.

Auch hielt er mit dem Zeichenstift vom Fortschritt bedrohte Baudenkmale und Kulturzeugen im Weißenburger Raum fest. Den Erlös des Skizzenbuches Südtirol überließ er ganz der Stillen Hilfe Südtirol, wodurch er seine Verbundenheit mit diesem Landstrich zum Ausdruck brachte. [2]

Seine Linol- und Holzschnitte sind stark durchkomponiert. Kubistisch anmutend und komprimierend von den Objekten her sind bei seinen Weißenburger Ansichten die Inhalte verdichtet und verwesentlicht. Die Prager Schule der 1930er Jahre findet sich hier wieder. Die Diagonalen und Senkrechten sind Spielgelachsen für ein Positiv-Negativbild in Schwarz-Weiß und erhöhen die Spannung und Plastizität.

Seit 2009 sind 850 Zeichnungen, Drucke und Skizzen von Lidl als Dauerleihgabe von seiner Tochter dem Stadtarchiv Weißenburg übergeben worden.

Veröffentlichungen

Sachbücher

  • Steh ich im Feld, 29 Volkslieder aus alter und neuer Zeit von der Heimat (Sonderdruck für die Kriegsmarine 1943)
  • Schönhengster Jahrbuch (1954-1996)
  • Der Schönhengstgau, Bild einer deutschen Sprachinsel (1962)
  • Heimatbuch Treuchtlingen (1984)
  • Schönhengstgau, eine ehemals deutsche Sprachinsel (1994)
  • Hauptredakteur von Im Weißenburger Land (1970)
  • maßgeblich mitbeteiligt am Heimatbuch von Solnhofen (1975)

Bücher mit seinen Graphiken

  • Mährisch Trübau (1965)
  • An der Mühlstraße (1976)
  • Skizzenbuch Südtirol (1974; 1985)
  • Eine Wallfahrt nach Maria Brünnlein. Kostbarkeiten an einem fränkisch-schwäbischen Pilgerweg (1977; 1989)
  • Schönes Weißenburg (1982)
  • Der Karlsgraben und das Treuchtlinger Land (1983)
  • Treppen zwischen Tauber, Rezat und Altmühl (zusammen mit Friedr. Mielke, 1985)
  • Kirchen und Kapellen in und um Pleinfeld (1987)
  • Die Altmühl. Sehenswertes an ihrem Weg zur Donau (1989)
  • Erinnerungen an Südtirol (1993)
  • Altmühl, Franken, Seenland (1997).

Ehrungen und Auszeichnungen

  • Schönhengster Kulturpreis (1965)
  • Ehrenbürger der Stadt Treuchtlingen (1973)
  • Bundesverdienstmedaille (1975)
  • Adalbert-Stifter-Medaille der Sudetendeutschen Landsmannschaft (1976)
  • Medaille "Für vorbildliche Heimatpflege" des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege (1982)
  • Goldener Ehrenring der Stadt Treuchtlingen (1986)[3]
  • Johann-Alexander-Döderlein-Kulturpreis der Stadt Weißenburg (1986)
  • Bundesverdienstkreuz am Bande (1987)
  • Walther-Hensel-Medaille des Schönhengster Heimatbundes (1988)[4]
  • Schönhengster Ehrenzeichen in Gold (1989)
  • Sudetendeutscher Volkstumspreis (1993)
  • August-Sauer-Plakette für Verdienste um das sudetendeutsche Kulturgut (1991)
  • Hahnenkamm-Medaille des Tourismusverbandes Hahnenkamm
  • In Treuchtlingen wurde die Straße beim Volkskundemuseum zwischen Schloss und Hauptstraße nach Josef Lidl benannt.

Fußnoten

  1. Hemmerle, Rudolf: Sudetenland-Lexikon, Mannheim 1984, S. 320
  2. Jenisch, Dietlinde: Laudatio auf Josef Lidl anlässlich der Verleihung des Sudetendeutschen Volkstumspreises 1993,
    Dr. Weichmann, Martin: Redemanuskript zur Veranstaltung "Josef Lidl (1911-1999). Maler - Musiker - Museumsleiter" am 23.10.2009 in Weißenburg. StadtA Wßbg, o. Rep. und
    Weißenburger Tagblatt vom 28. Mai 1993, vom 21. August 1996 und 17. April 1999
  3. für seine Bemühungen um den Kulturerhalt in der Region
  4. für seine besonderen Leistung um den Erhalt für die Pflege des Schönhengster Volksliedes und des Volkstanzes