Michael Gerstner

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Michael Gerstner, NSDAP-Kreisleiter, von 1933 bis 1945 Bürgermeister von Weißenburg

Michael Gerstner (* 25. Oktober 1896 in Nennslingen; † 8. Januar 1977 in Weißenburg)

Leben

Michael Gerstner war von Beruf Gerber. Im Ersten Weltkrieg diente er als Soldat. Er galt als kleiner Gerbergesell vom Dorf, der, wie das Weißenburger Tagblatt am 21. Juni 1936 anlässlich seiner offiziellen Amtseinsetzung als 1. Bürgermeister der Stadt schrieb, "stets der einfache und schlichte Bauernbursche aus Nennslingen bleiben" wollte [1] Nach einer schweren Kriegsverletzung, bei der er ein Bein verloren hatte, konnnte Gerstner als Gerber nicht mehr weiterarbeiten, so dass er am 20. Mai 1920 beim Verband der AOK Weißenburg als Beamtenanwärter anfing.

Politik

NSDAP

Gerstner trat im Alter von 28 Jahren am 28. März 1925 der NSDAP bei (Mitg. Nr. 1020). Er war zuerst Ortsgruppen-Kassenleiter und stieg bis zum Kreisleiter der NSDAP (ab 1. April 1931) auf.[2][3] Als Kreisleiter trat er regelmäßig als Redner auf und wurde auf diese Weise schnell einem breiten Publikum bekannt.

Bürgermeister

Im Zuge der Etablierung der NS-Herrschaft in Deutschland wurde Gerstner im März 1933 kommissarisch Bürgermeister von Weißenburg und löste damit den damaligen Bürgermeister Hermann Fitz ab.[4] Seine Position war jedoch nicht gefestigt. Von seiner Berufung zum 1. kommissarischen Bürgermeister im März 1933 bis zu endgültigen Ernennung zum hauptamtlichen Bürgermeister im Mai 1936 vergingen mehr als drei Jahre, weil man ihm unter anderem von ministerieller Seite in fachlicher Hinsicht gewisse Defizite attestierte.[5] Er blieb bis 1945 im Amt.

Reichstag

Von 1941 bis 1945 war er als Vertreter des Wahlkreises 26 (Franken) Mitglied im Nationalsozialistischen Reichstag.

Antisemitismus

Seine antisemitische Einstellung hat Gerstner 1934 wie folgt zusammengefaßt:

All das große Leid der 15 Jahre ist auf den Juden zurückzuführen und darum muß die Erkenntnis der Judenfrage bei jeder sich bietenden Gelegenheit hineingetragen werden in das deutsche Volk[6]

Gerstner hielt am 31. März 1933 auf einer Kundgebung am Marktplatz in Weißenburg eine Rede "gegen die jüdische Greuelpropaganda", die einen bemerkenswerten Einblick in seine antisemitische Einstellung gibt:[7]

Zur "Rassenfrage" bezieht er wie folgt Position:

"Wir werden in allererster Linie den Juden bekämpfen, den ewigen Juden, dessen einziger Gott, (sic) nur Gold ist und durch dessen Glanz das deutsche Volk, die deutsche Seele, zu Grunde gehen wird. Der Jude ist Deutschlands Unglück. Die Rassenfrage ist der Schlüssel zur Weltgeschichte ..."

Anschließend fordert er die "Beseitigung und Ausschaltung" der Juden in Deutschland:

"Eines wollen wir feststellen: Wenn die deutsche Revolution ihr Ziel, Beseitigung und Ausschaltung des Juden, nicht erreicht und durchführt, dann wird diese Revolution zur Unfruchtbarkeit verurteilt sein. Mit der Judenfrage steht und fällt das neue Wert der deutschen Wiedergeburt, der deutschen Auferstehung."

Gerstner fordert zum aktiven "Kampf gegen Juden" auf:

"Wir kennen die Judenfrage, wir kennen unser Ziel und wir kennen und scheuen nicht den Kampf. Der Kampf ist uns aufgezwungen worden und wir Nationalsozialisten werden beweisen, daß wir diesen Kampf zu führen verstehen...."

Abschließend fordert Gerstner den Boykott jüdischer Geschäfte in Weißenburg. Den Einwohnern soll das Betreten der Geschäfte verboten werden. Gerstner droht mit Lynchjustiz und der Ermordung deutscher Mitbürger, die beabsichtigen, sich mit den jüdischen Mitbürgern zu solidarisieren, und die sich dem Boykott jüdischer Geschäfte widersetzen:

"Es gibt zwei Maßnahmen: Entweder die jüdischen Geschäfte durch Posten zu bewachen und den Eintritt zu verbieten, oder jedem Deutschen oder angeblichen Deutschen, der zum Kaufen noch den Mut aufbringt in dieser Zeit, wo der Jude gegen Deutschland hetzt, an den nächsten Laternenpfahl aufzuhängen, wo der Volksvertreter hingehört. Wer nicht soviel Idealismus besitzt, um von selbst das Geschäft zu meiden, der ist nach unserem Empfinden ein Volksverräter und gehört an den Galgen."

Verurteilung wegen Judenpogrom

Nach dem Krieg fand im Mai 1946 in Weißenburg wegen des Pogroms gegen die jüdische Bevölkerung in Treuchtlingen in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 (sogenannte "Reichskristallnacht") der bis dahin größte Pogromprozess in der US-amerikanischen Besatzungszone statt. In diesem Prozess wurde der ehemalige Kreisleiter und Bürgermeister von Weißenburg Michael Gerstner als einer der Hauptverantwortlichen zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Gerstner hatte sich zuvor darauf berufen, vom Pogrom "nichts gewußt" zu haben[8]. Der ehemalige Standartenführer der SA Georg Sauber und der vormalige SS-Obersturmbannführer Wilhelm Dorner gaben hingegen als Prozesszeugen an, dass Gerstner sowohl den Einsatz beim Judenpogrom in Treuchtlingen als auch in Ellingen[9] koordiniert hatte.

Fußnoten

  1. Markus Herbert Schmid: Weißenburg in der Zwischenkriegsphase. Kontinuitäten und Diskontinuitäten unter weltanschaulichen, kommunalpolitischen und administrativen Gesichtspunkten. Dissertation. Eichstätt 2005, S. 191
  2. Michael Rademacher, Handbuch der NSDAP-Gaue 1928-1945, Verlag M. Rademacher, 2000
  3. Erich Stockhorst: 5000 Köpfe. Wer war was im Dritten Reich. VMA Verlag, Wiesbaden)
  4. Schon am 10. März 1933 hatte Gerstener in seiner Funktion als politischer Beauftragter der NSDAP vom damaligen Bürgermeister Hermann Fitz aufgefordert die Befehlsgewalt über die städtische Polizei an den SA-Führer Georg Sauber zu übertragen. Am 23. März 1933 forderte die Mitgliederversammlung der NSDAP einstimmig den Rücktritt den Bürgermeisters. Am 5. April 1933 wurde die "Beurlaubung" des damaligen Oberbürgermeisters Fitz durch die bayerische Regierung verfügt und Michael Gerstner mit der kommissarischen Leitung der Geschäfte des Bürgermeistes beauftragt. Siehe Markus Herbert Schmid: Weißenburg in der Zwischenkriegsphase. Kontinuitäten und Diskontinuitäten unter weltanschaulichen, kommunalpolitischen und administrativen Gesichtspunkten. Eichstätt 2005, S. 190
  5. Markus Herbert Schmid: Weißenburg in der Zwischenkriegsphase. Kontinuitäten und Diskontinuitäten unter weltanschaulichen, kommunalpolitischen und administrativen Gesichtspunkten. Dissertation. Eichstätt 2005
  6. Weißenburger Tagblat vom 30.8.1934, zit. nach Markus Herbert Schmid: Weißenburg in der Zwischenkriegsphase. Eichstätt 2005, S. 195
  7. Die Rede ist abgedruckt bei Markus Herbert Schmid: Weißenburg in der Zwischenkriegsphase. Eichstätt 2005, S. 261
  8. Berichte der Nürnberger Nachrichten vom 6. April, 10. April, 24. April 1946. Über die Verurteilung berichten die Nürnberger Nachrichten am 11. Mai 1945. Zitiert nach Thomas Wägemann: Schlagzeilen aus Weißenburg 1945-1949. In: Villa Nostra 1/2003, S.12ff.
  9. siehe auch die Webseite Juden in Ellingen