Benutzer:Ubeier

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über mich

Jahrgang 1941, in Weißenburg seit 1971; verheiratet, zwei Söhne, vier Enkel

im Ruhestand, vorher Studienrat an der Realschule Weißenburg

bereits bearbeitete Themen

Altmühl, Brombachsee, Igelsbachsee, Hahnenkammsee, Schwäbische Rezat, J.Lidl, Fr. Liebl, Dr. Otto "Leo", E.Model, Ergänzung Dettenheim u. R. Nebel, Friedrich-Ebert-Str., J.Schieder, G.Demel, Anlauter, 5 Artikel v.H. Spitschka, Rennweg, SL WUG, Wohnstättennamen, Wülzbg.-Gedenkst., Heimatbücherverz., Bahnhofstr., Karl IV., Landschaftsbild, 4 Artikel Mundart (Mertens), 3 Artikel über die Schambach, HNavratil, StHedwigMB, Erzgeb.stub.GUN, OBSchwirzer, Hist.Stammtisch, Exulantennamen (40), WUG-SEB, O.Stiep.,RainMesserer, Papp.Ehrenbg.,

Zeitzeugenberichte:

Weißenburg zwischen Kriegsende und Währungsreform (1945-1948)

Eine gebürtige Weißenburgerin erinnert sich:

Bei Kriegsausbruch war ich 13 Jahre. Die schrecklichen Seiten des Krieges haben wir nicht gespürt. Ich empfand meine Jugend als schön. Als ich 17 war, haben wir sogar noch Tanzkurs gemacht, allerdings nicht mit großem Abschlussball, aber immerhin.

Im April 1944 bin ich zum Reichsarbeitsdienst (RAD) einberufen worden. Ein Teil der Mädchen, man nannte sie Maiden, musste u. a. in einer Munitionsfabrik arbeiten. Ich war im „Bann Eichstätt“ kriegsdienstverpflichtet und sollte dann als achtzehnjähriges Mädchen in Eichstätt Jungen im Alter von 15 – 16 Jahren im Sport ausbilden.

Wenn Fliegeralarm gegeben wurde, sind wir nicht in den Keller, sondern auf den nächsten Hügel, um zu sehen, wo die Bomben niedergingen. Wir hatten keine Angst. So haben wir erkennen können, dass am 23. Februar 1945 in der Weißenburger Gegend Bomben gefallen sein mussten. Treuchtlingen war das Ziel. Als ich heimfahren wollte, konnte ich mit dem Zug von Konstein über Dollnstein nur bis Treuchtlingen fahren. Wegen der völligen Zerstörung des Bahnhofs (mit Hunderten von Toten) musste ich von dort nach Weißenburg heimlaufen.

Am gleichen Tag wurde auch Weißenburg bombardiert. Ich war zwar nicht in der Stadt, kannte aber eine Familie Schönmetzler. Die Großmutter hatte wegen der Bombenangriffe ihre beiden Enkeltöchter (5 und 7 Jahre alt) aus München zu sich geholt. Die Enkel haben die Oma noch auf die Tiefflieger aufmerksam gemacht, als auch schon ihr Haus Am Hof getroffen wurde. Beide Enkelkinder kamen ums Leben. Die Großmutter war verschüttet, konnte aber lebend geborgen werden. Bei diesem Angriff wurden 21 Menschen getötet, darunter neun Kinder. Am Südfriedhof findet man einen Gedenkstein für die Opfer.

Im April 1945 war ich in Nassenfels. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Verpflegung noch gut geklappt. In großen (Wasch-)Kesseln wurde von mir das Essen zubereitet. Dann hieß es: Zur Verteidigung werden wir nach Schrobenhausen verlegt, wir Mädchen und die Jungen vom Jahrgang 1928, die noch nicht eingezogen worden waren. Drei Wehrmachtsangehörige haben noch die Jungen im Umgang mit der Panzerfaust ausgebildet. Das alles war sinnlos und eigentlich unverantwortlich. Als dann Ende April die Amerikaner kamen, war plötzlich der Führungsstab weg. So sind wir drei Betreuerinnen mit den Fahrrädern auf der Autobahn zurückgefahren. Aber die US-amerikanische Besatzung hat sofort – noch vor Kriegsende – die Sperrstunde eingeführt: Von 18 Uhr bis 6 Uhr früh durfte kein Deutscher mehr auf der Straße sein. So haben wir auf der Heimfahrt bei fremden Leuten angeklopft und um ein Nachtquartier gebeten, das wir auch immer bekamen.

Am 8. Mai 1945 haben wir im Radio bei einer Familie in Meitingen, die uns Unterkunft gewährt hatte, gehört: Der Krieg ist aus – das heißt verloren! Wir haben geheult, denn wir waren seit unserer Schulzeit so indoktriniert, dass wir noch an den Endsieg glaubten. Aber wenigstens war aus der engsten Familie niemand durch den Krieg ums Leben gekommen.

Neben dem Problem der nächtlichen Ausgangssperre war ein weiteres, dass von der Besatzungsmacht Gegenstände requiriert werden konnten. So kam ein von den Amerikanern angestellter deutscher „Nichtnazi“ und wollte für das US-Militär mein Klavier mitnehmen. Mein Vater wäre in seinen Augen ein „Belasteter“ (was sich später als unberechtigt herausstellte) und deshalb könnten von ihm Gegenstände beschlagnahmt werden. Durch meinen heftigen Einspruch, dass das Klavier mir gehöre und nicht meinem Vater und ich es für meine Ausbildung brauche, gelang es mir, mein Eigentum zu retten. Aber ein Haus von uns wurde besetzt und der Keller geplündert. Bei uns wohnte jahrelang eine ausgebombte Nürnbergerin mit ihren beiden Kindern.

Nach dem Krieg zogen auch immer wieder entlassene deutsche Soldaten durch Weißenburg, die wir verpflegt und ihnen eine Übernachtungsmöglichkeit gegeben haben. Überhaupt waren in dieser schweren Zeit der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung einmalig. Auch wurde jeder heimkehrende Soldat gefeiert. In Suffersheim und anderen Orten läutete man sogar die Kirchenglocken.

Neben der Nahrungsmittelknappheit war auch ein großes Problem, dass es zu wenig Brennmaterial gab. So mussten viele frieren, nicht zuletzt, weil viele Fenster kaputt waren und es nicht genügend Glas gab. Zum Teil hat man auch das Glas von Bildern verwendet, um zerbrochene Fensterscheiben zu ersetzen.

So entbehrungsreich die Zeit für uns damals war, so überraschender empfanden wir es, als nach der Währungsreform im Juni 1948 auf einmal alles wieder zu haben war – gegen harte neue DMark. Die alte Reichsmark war außer einem „Kopfgeld“ von 40 Reichsmark pro Erwachsenem, die 1:1 umgewechselt wurden, nur noch ein Zehntel wert. Aber ab da ging es schrittweise jahrzehntelang nur bergauf.

Die Berichterstatterin wollte anonym bleiben. Sie ist dem Verfasser gut bekannt, er bürgt für die Richtigkeit ihrer Aussagen.


Zeitzeugenberichte:

Weißenburg zwischen Kriegsende und Währungsreform (1945-1948)

Ein gebürtiger Weißenburger erinnert sich:

Ich war während des Krieges Oberschüler. Dass der Krieg eine konkrete Gefahr für mich bedeuten sollte, erfasste ich damals noch nicht. Die englischen Bomben, die 1940 auf der Schönau gefallen sind, blieben für Weißenburg Gott sei Dank ohne Folgen. Sie waren für mich eher ein Abenteuer. Wenn es in der Nacht Fliegeralarm gab, fing der Unterricht erst eine Stunde später an. So hoffte ich öfters auf Fliegeralarm. Im Soldaten sah ich den stolzen Uniformträger, den ich bewunderte. Verwundung oder Tod hatte ich dabei nicht im Kopf.

Damals begann das Schuljahr zu Ostern. Wir wurden nach der 7. Kl. Oberschule (heutige Zählung: 11. Kl. Gymnasium) mit einem „Abgangszeugnis („Reifevermerk“ – Notabitur) entlassen und am 3. Mai 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Ich kam zu den Funkern. Wir wurden im Verlauf des Krieges nach Süden abgedrängt, waren vorher noch zur Ortsverteidigung eingesetzt und weil die Einheiten zersprengt waren, sollten wir uns auf eigene Faust auflösen. So schlugen wir uns zu zweit nach Kufstein durch, teils zu Fuß, teils von Wehrmachtsfahrzeugen mitgenommen, und harrten dort bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945 aus. Dieses Gebiet war noch nicht besetzt. Der Frau, bei der wir untergebracht waren, schenkten wir zum Dank eine gegerbte Kuhhaut (Rindsleder), die wir aus Wehrmachtsbeständen hatten.

Sie hat uns noch nach Oberbayern gebracht, aber die amerikanischen Besatzungssoldaten haben uns geschnappt. Wir hatten ja noch die Uniform an. Sie nahmen uns unsere Uhren und Füller ab, verluden uns auf einen LKW und brachten uns in ein Gefangenenlager unter freiem Himmel bei Brannenburg im Inntal (südlich von Rosenheim). Dort mussten wir bis Mitte Juli unter freiem Himmel schlafen. Es fanden sich auch einige Weißenburger unter den Gefangenen. Wir gruben uns eine etwa 3 x 3 m große Grube, um nicht so schutzlos dem Wind ausgesetzt gewesen zu sein. Die ersten Tage hatten wir nichts zu essen. Ich musste von den spärlichen Resten in meinen Manteltaschen leben. Später bekamen drei Mann ein Kommissbrot am Tag. Trotzdem waren sowohl während des Krieges als auch jetzt in der Gefangenschaft Kameradschaft und gegenseitige Hilfe großgeschrieben.

Nach und nach wurden dann Gefangene entlassen: zuerst Bauern zur Feldbestellung, dann Eisenbahner und Schüler. Ich gab mich als Landwirtschaftsschüler aus und war bei den Entlassenen. Wir wurden auf einen LKW der US Army geladen, der Richtung Nürnberg fuhr. In Weißenburg durfte ich vom Laster springen und war frei.

Datei:Entnazif 0004.jpg

Ich hatte den Krieg überlebt, während etwa ein Drittel meiner Klassenkameraden gefallen war. Die Stele im alten Gymnasium, der heutigen FOS, nennt alle Namen. Ein 19-jähriger Schulfreund hatte besonderes Pech: Er stand an der Türe und schaute den in Weißenburg einrückenden Amerikanern zu. Er hatte die grüne Trachtenjacke seines Vaters an. Daraufhin nahm ihn ein Amerikaner fest mit den Worten: „Du Alpenjäger!“ Er kam ein Dreivierteljahr in Gefangenschaft.

Vom Herbst 1945 bis Frühling 1946 belegte ich als Evangelischer an der katholischen Bischöflich philosophisch-theologischen Hochschule in Eichstätt, wo ich ein Zimmer mieten konnte, verschiedene Fächer, u. a. Englisch, Logik und Mathematik und legte Prüfungen ab. Im Schuljahr 1946/47 besuchte ich dann in Weißenburg die Abschlussklasse an der Oberschule, musste aber kein Abitur mehr schreiben, da ich ja schon den Reifevermerk hatte.


Ein besonderes Problem war die Sperrstunde, anfangs von 18 – 6 Uhr früh, später von 22 – 6 Uhr. Kein Deutscher durfte sich da mehr auf der Straße aufhalten. Die amerikanischen Besatzer waren da sehr streng. Auch tagsüber führten sie Kontrollen durch. Sie hatten unter anderem im Café Engelhardt in der Ellinger Str. und auch in der Luitpoldstraße Quartiere. Es waren meist Farbige. Wenn sie angetrunken waren, suchten sie Händel, riefen einem Schimpfwörter nach oder durchsuchten einen und gelegentlich nahmen sie Gegenstände ab. Einmal wollte einer mit mir boxen. Sie zogen auch sehr schnell die Waffen. Man musste gewärtig sein, dass sie die Waffe zogen. So wurde ein Jugendlicher einmal angeschossen. Wenn man bis zur Sperrstunde nicht zu Hause war, musste man bei anderen Leuten übernachten. Man riskierte unter Umständen sein Leben, nach dieser Zeit noch auf der Straße zu sein. Die Sperrstunde galt auch an Silvester!

Bis Kriegsende klappte die Versorgung mit Lebensmitteln noch verhältnismäßig gut, aber nach dem 8. Mai 1945 brach auch diese zusammen. Was dann über die Lebensmittelkarten zugeteilt war, reichte hinten und vorne nicht aus. Somit blühten der Tauschhandel und Schwarzmarkt. Ich rauchte zwar, aber wenig. So war ich da schon besser dran als viele Männer, die im eigenen Garten oder auf Balkonkästen Tabak anbauten, diesen dann selbst fermentierten, feinschnitten und in Zeitungspapier rollten zum Rauchen.

Ansonsten fuhren wir immer wieder auf die Dörfer zu den Bauern und versuchten durch Tauschen Lebensmittel zu bekommen, z. B. einen Teppich gegen ein Stück Schweinefleisch. Im Herbst 1945 und 1946 haben wir uns auch mit Äpfeln „versorgt“. Der Hunger war größer als das schlechte Gewissen. Geld hatte praktisch keinen Wert mehr.

Am besten ging es den Bediensteten bei den amerikanischen Militärbehörden. Sie bekamen Schokolade oder – noch wertvoller – amerikanische Zigaretten (Lucky Strike). Die waren Gold wert. Für die konnte man nahezu alles haben. Und auch Mädchen, die ein Verhältnis mit einem amerikanischen Besatzungssoldaten eingingen, standen materiell gut da.

Aber nicht nur der Hunger plagte uns, es gab auch keine Schuhe. So trugen wir z. B. auch Schuhe, die aus einer dicken Holzsohle bestanden und anstelle des Oberleders eine Kappe aus festem Stoff hatten – nichts für Regenwetter! Und da „Spinnstoffe“, wie es damals hieß, kaum zu bekommen waren, trugen wir Militärkleidung auf.

Die Entnazifizierung war für mich problemlos, da ich unter das „Jugendamnestiegesetz“ fiel, wie diese Bestätigung zeigt:

Datei:Entnazif 0004.jpg

Ich wollte Chemie studieren. Der damalige Landtagsabgeordnete Heiner Stöhr fuhr mit meinem Vater und mir noch zur Universität Erlangen, um für mich ein gutes Wort einzulegen, da beim Studium Rückkehrer bevorzugt wurden. Aber mir fehlten die Praktika. So entschloss ich mich für den Abiturientenlehrgang 1947/48 an der Lehrerbildungsanstalt in Nürnberg. Dieser Ausbildung für Volksschullehrer ging eine psychologische Prüfung voraus – bestimmt keine schlechte Einrichtung. Über 700 Interessenten meldeten sich, nur etwa 70 wurden genommen, ich war einer der Glücklichen. Es folgten Einsätze als Lehramtsanwärter in Weißenburg und Suffersheim.

Als Lehrer war ich eine Amtsperson und war bei der Währungsreform am Sonntag, dem 21. Juni 1948, in Weißenburg in der Umtauschstelle eingesetzt, in der Reichsmark in die neue DMark gewechselt wurden. – Danach begann ein neues Leben, weil es auf einmal wieder alles gab.

Der Berichterstatter wollte anonym bleiben. Er ist dem Verfasser gut bekannt und bürgt dafür, dass alle Aussagen nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wurden.