Benutzer:Ubeier

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über mich

Jahrgang 1941, in Weißenburg seit 1971; verheiratet, zwei Söhne, vier Enkel

im Ruhestand, vorher Studienrat an der Realschule Weißenburg

bereits bearbeitete Themen

Altmühl, Brombachsee, Igelsbachsee, Hahnenkammsee, Schwäbische Rezat, J.Lidl, Fr. Liebl, Dr. Otto "Leo", E.Model, Ergänzung Dettenheim u. R. Nebel, Friedrich-Ebert-Str., J.Schieder, G.Demel, Anlauter, 5 Artikel v.H. Spitschka, Rennweg, SL WUG, Wohnstättennamen, Wülzbg.-Gedenkst., Heimatbücherverz., Bahnhofstr., Karl IV., Landschaftsbild, 4 Artikel Mundart (Mertens), 3 Artikel über die Schambach, HNavratil, StHedwigMB, Erzgeb.stub.GUN, OBSchwirzer, Hist.Stammtisch, Exulantennamen (40), WUG-SEB, O.Stiep.,RainMesserer, Papp.Ehrenbg.,Ergänzg. Wßbg. Bgm.,4 Zeitzeugenberichte

Zeitgeschichte

Weißenburg zwischen Kriegsende und Währungsreform (1945-1948)

Der Krieg war vorbei, der Hunger und die Not jedoch waren geblieben. Das Markensystem, das die spärliche Versorgung der Bevölkerung gewährleistete, galt weiter. Doch mit den Zuteilungen war eine Familie nicht satt zu bekommen in den Monaten nach dem Kriegsende. Jeder Quadratmeter Garten war vor dem nahenden Winter 1945/46 mit Gemüse oder Salat bepflanzt. Kleinere Dienste für die in requirierten Häusern einquartierten US-Soldaten brachten zusätzlich Lebensmittel und Zigaretten - letztere waren in den ersten Friedensmonaten das Zahlungsmittel schlechthin. Thomas Wägemann vom Weißenburger Stadtarchiv beleuchtet im folgenden Beitrag die Situation nach der,,Stunde Null".

In Weißenburg waren mit dem Einmarsch die ersten Häuser von den US-Truppen und der Militärregierung beschlagnahmt worden - dazu gehörten die Nördliche Ringstraße 1 (Militärregierung), Nördliche Ringstraße 37 (Militärpolizei) oder die Schulhausstraße 10 (Polnisches Konsulat). Im ,,Mitteilungsblatt Nr. 1 - An die deutschen Bewohner der Stadt" infornierten die US-Militärs: ,,Es ist auch in Zukunft damit zu rechnen, dass bei Einquartierungen amerikanischer Truppen ganze Häuser und Straßenzüge auf längere Zeit geräumt werden müssen. Pflicht der nicht Betroffenen ist es, die ausquartierten Einwohner aufzunehmen und - wenn auch primitiv - unterzubringen". Insgesamt wurden in den ersten Monaten nach Kriegsende mehr als 70 Gebäude für Zwecke der Militärregierung beschlagnahmt.

Wer geglaubt hatte, nach dem Einmarsch der Amerikaner würde alles mit einem Schlag besser werden, sah sich enttäuscht. Die Lebensmittel waren rar und offiziell nur gegen Bezugsmarken zu bekommen. So erhielt etwa im Juni 1945 eine Person pro Woche 50 g Fleisch, 50 g Nährmittel, 125 g Fett, 500 g Brot, 250 g Zucker, 125 g Käse, 125 g Quark, 100 g Kaffee-Ersatz und 250 g Kinder-Stärkemehl. Schwerarbeiter, stillende Mütter und Kinder bis zu sechs Jahren erhielten entsprechende Zulagen. Logische Folge dieser ,,Zwangs-Diät" war die Zunahme des notgedrungenen,,Organisierens", des Schwarzschlachtens und des Schwarzmarktes.

Über das unerlaubte Schlachten berichtet ein Weißenburger Zeitzeuge: ,,Die Küche.wurde abgedunkelt. Zum gleichen Zeitpunkt, als es der Sau an den Kragen ging, wurde auf dem Hof eine Arbeit verrichtet, die mit viel Lärm verbunden war. Außerdem wurde das Schlachten auf die späteren Stunden verlegt, sodass mit einem zufälligen Besuch kaum noch mehr zu rechnen war und die Nacht zum Lüften blieb, um den typischen Schlachtgeruch einigremaßen wegzubekommen." Denn Schwarzschlachten war streng verboten, und wer erwischt wurde, musste mit hohen Strafen rechnen. 1945/46 war zeitweilig der Diebstahl von Kleinvieh und Feldfrüchten auf den Dörfern durch hungrige Menschen so groß, dass man dort eine "Flurpolizei" aufstellte.

Not macht erfinderisch. Das zeigt auch das Beispiel, dass man z. B. die Asche überbrüht hat, dann Tage stehen ließ, abgegossen und gesiebt hat und fertig war seifiges Waschmittel. Bohnerwachs stellte man selbst her, indem man Kerzen zerlaufen ließ. Das Wachs wurde anschließend mit TerpentinöI und einem Färbepulver vermengt und in Dosen abgefüllt. Gummibänder der Motorradbrillen dienten als Hosengummi. Militärstoff wurde eingefärbt und daraus zivile Kleidung hergestellt. Und selbst aus der Hakenkreuzfahne konnte man noch robuste rote Spielhosen für die Kinder nähen.

Aber auch bei Lebensmitteln wurde fleißig improvisiert. Aus Rüben kochte man Sirup, der dann als Brotaufstrich verwendet wurde. Beim Metzger Grabner gab es eine Wurst, die im Prinzip nur aus gekochtem und gewürztem BIut bestand und am Rosenbühl konnte man für ein paar Pfennige den sogenannten,,Schluder" kaufen. Dabei handelte es sich um gestockte Milch, die mit eingetauchtem Brot gegessen wurde. "Aus Kaffeesatz haben wir Kuchen gemacht. Eicheln und Buchenrinde wurden zu Mehl verarbeitet. Außerdem haben wir viel von Kleie gelebt", berichtet Frau Schmid-Lindner, die einige Zeit als Übersetzerin bei der Militärregierung tätig war. Natürlich trug auch die Natur viel zur Linderung der Not der ersten Nachkriegszeit bei. Äpfel, Birnen oder Nüsse waren beliebt wie nie zuvor. Viele Bürger bestätigten, dass die ersten beiden Nachkriegssommer hervorrag€ende Pilzjahre waren und es im Weißenburger Wald sehr viele Steinpilze gab.

Wie die Besprechungsprotokolle der Militärregierung beweisen, gab es auch in Weißenburg einen regen Schwarzmarkt und Tauschhandel. Begehrte Tauschobjekte waren - neben Alkohol und Zigaretten - auch die entwendeten Gegenstände aus den Weißenburger Depots. Der Handel damit ging so weit, dass die Militärregierung und die von ihr eingesetzte Stadtverwaltung mit Hausdurchsuchungen und schweren Strafen drohte, wenn die entwendeten Gegenstände nicht unverzüglich zurückgegeben würden.

Eine andere Möglichkeit war das sogenannte "Kompensieren": Man kaufte ein Pfund Butter, behielt ein halbes Pfund und tauschte das andere halbe Pfund gegen 50 Zigaretten, behielt 10 Stück und tauschte die restlichen 40 gegen eine Flasche Wein und eine Flasche Schnaps, behielt den Wein und tauschte den Schnaps bei einem Bauern gegen ein Pfund Butter.

Besonders Kinder und Jugendliche freundeten sich mit amerikanischen Besatzungssoldaten sehr schnell an. Sie bettelten nicht nur erfolgreich um Kaugummi oder ein Stück Schokolade und sammelten eifrig Zigarettenkippen, um den Tabak dann teuer gegen andere Prdodukte einzutauschen. Kinder verstanden es auch, sich "ihren Ami" zuzulegen, dem dann die Mutter die Wäsche wusch und der sich mit Lebensmitteln bedankte. Ansonsten organisierte man schon auch einmal einen Diebeszug in ein amerikanisches Verpflegungslager - ein risikoreiches Unterfangen, das aber bei Erfolg auch sehr ergiebig war.

Das Problem, dass es kaum Schuhe gab oder Papier, konnte dadurch ohnehin nicht gelöst werden - so wenig wie die riesige Wohnungsnot für Tausende von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen in Weißenburg. Und dass viele Männer noch in Gefangenschaft waren und somit der Familie nicht nur der Vater, sondern auch der Ernährer fehlte, waren weitere große Schwierigkeiten der damaligen Zeit.

Mit dem 20. Juni 1948 endete über Nacht die "Zigarettenwährung". 1949 wurde aus den drei westlichen Besatzungszonen die Bundesrepublik Deutschland gegründet. Lebensmittelkarten gab es noch bis zum 30. April 1950. Das Ende der Besatzungszeit kam in Weißenburg am 25. Januar 1952. An diesem Tag hatte das HICOG-Büro (= High Commission Of Germany) das letze Mal geöffnet. Am 13. Febraur 1952 schließlich wurden Gegenstände der Militärregierung, die nach dem 8. Mai 1945 beschlagnahmt wurden, öffentlich versteigert. Am 5. Mai 1955 wurde die Bundesrepublik Deutschland souverän, indem das Besatzungsstatut aufgehoben wurde. Spätestens damals wurden beschlagnahmte Häuser den früheren Besitzern zurückgegeben. Für deren Renovierung mussten die Altbesitzer jedoch selbst aufkommen.

Quelle: Thomas Wägemann, Stadtarchiv Weißenburg, im Weißenburger Tagblatt vom 26.11.2005


Zeitgeschichte

Zeitzeugenberichte:

Eine gebürtige Weißenburgerin erinnert sich:

Bei Kriegsausbruch war ich 13 Jahre. Die schrecklichen Seiten des Krieges haben wir nicht gespürt. Ich empfand meine Jugend als schön. Als ich 17 war, haben wir sogar noch Tanzkurs gemacht, allerdings nicht mit großem Abschlussball, aber immerhin.

Im April 1944 bin ich zum Reichsarbeitsdienst (RAD) einberufen worden. Ein Teil der Mädchen, man nannte sie Maiden, musste u. a. in einer Munitionsfabrik arbeiten. Ich war im „Bann Eichstätt“ kriegsdienstverpflichtet und sollte dann als achtzehnjähriges Mädchen in Eichstätt Jungen im Alter von 15 – 16 Jahren im Sport ausbilden.

Wenn Fliegeralarm gegeben wurde, sind wir nicht in den Keller, sondern auf den nächsten Hügel, um zu sehen, wo die Bomben niedergingen. Wir hatten keine Angst. So haben wir erkennen können, dass am 23. Februar 1945 in der Weißenburger Gegend Bomben gefallen sein mussten. Treuchtlingen war das Ziel. Als ich heimfahren wollte, konnte ich mit dem Zug von Konstein über Dollnstein nur bis Treuchtlingen fahren. Wegen der völligen Zerstörung des Bahnhofs (mit Hunderten von Toten) musste ich von dort nach Weißenburg heimlaufen.

Am gleichen Tag wurde auch Weißenburg bombardiert. Ich war zwar nicht in der Stadt, kannte aber eine Familie Schönmetzler. Die Großmutter hatte wegen der Bombenangriffe ihre beiden Enkeltöchter (5 und 7 Jahre alt) aus München zu sich geholt. Die Enkel haben die Oma noch auf die Tiefflieger aufmerksam gemacht, als auch schon ihr Haus Am Hof getroffen wurde. Beide Enkelkinder kamen ums Leben. Die Großmutter war verschüttet, konnte aber lebend geborgen werden. Bei diesem Angriff wurden 21 Menschen getötet, darunter neun Kinder. Am Südfriedhof findet man einen Gedenkstein für die Opfer.

Im April 1945 war ich in Nassenfels. Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Verpflegung noch gut geklappt. In großen (Wasch-)Kesseln wurde von mir das Essen zubereitet. Dann hieß es: Zur Verteidigung werden wir nach Schrobenhausen verlegt, wir Mädchen und die Jungen vom Jahrgang 1928, die noch nicht eingezogen worden waren. Drei Wehrmachtsangehörige haben noch die Jungen im Umgang mit der Panzerfaust ausgebildet. Das alles war sinnlos und eigentlich unverantwortlich. Als dann Ende April die Amerikaner kamen, war plötzlich der Führungsstab weg. So sind wir drei Betreuerinnen mit den Fahrrädern auf der Autobahn zurückgefahren. Aber die US-amerikanische Besatzung hat sofort – noch vor Kriegsende – die Sperrstunde eingeführt: Von 18 Uhr bis 6 Uhr früh durfte kein Deutscher mehr auf der Straße sein. So haben wir auf der Heimfahrt bei fremden Leuten angeklopft und um ein Nachtquartier gebeten, das wir auch immer bekamen.

Am 8. Mai 1945 haben wir im Radio bei einer Familie in Meitingen, die uns Unterkunft gewährt hatte, gehört: Der Krieg ist aus – das heißt verloren! Wir haben geheult, denn wir waren seit unserer Schulzeit so indoktriniert, dass wir noch an den Endsieg glaubten. Aber wenigstens war aus der engsten Familie niemand durch den Krieg ums Leben gekommen.

Neben dem Problem der nächtlichen Ausgangssperre war ein weiteres, dass von der Besatzungsmacht Gegenstände requiriert werden konnten. So kam ein von den Amerikanern angestellter deutscher „Nichtnazi“ und wollte für das US-Militär mein Klavier mitnehmen. Mein Vater wäre in seinen Augen ein „Belasteter“ (was sich später als unberechtigt herausstellte) und deshalb könnten von ihm Gegenstände beschlagnahmt werden. Durch meinen heftigen Einspruch, dass das Klavier mir gehöre und nicht meinem Vater und ich es für meine Ausbildung brauche, gelang es mir, mein Eigentum zu retten. Aber ein Haus von uns wurde besetzt und der Keller geplündert. Bei uns wohnte jahrelang eine ausgebombte Nürnbergerin mit ihren beiden Kindern.

Nach dem Krieg zogen auch immer wieder entlassene deutsche Soldaten durch Weißenburg, die wir verpflegt und ihnen eine Übernachtungsmöglichkeit gegeben haben. Überhaupt waren in dieser schweren Zeit der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung einmalig. Auch wurde jeder heimkehrende Soldat gefeiert. In Suffersheim und anderen Orten läutete man sogar die Kirchenglocken.

Neben der Nahrungsmittelknappheit war auch ein großes Problem, dass es zu wenig Brennmaterial gab. So mussten viele frieren, nicht zuletzt, weil viele Fenster kaputt waren und es nicht genügend Glas gab. Zum Teil hat man auch das Glas von Bildern verwendet, um zerbrochene Fensterscheiben zu ersetzen.

So entbehrungsreich die Zeit für uns damals war, so überraschender empfanden wir es, als nach der Währungsreform im Juni 1948 auf einmal alles wieder zu haben war – gegen harte neue DMark. Die alte Reichsmark war außer einem „Kopfgeld“ von 40 Reichsmark pro Erwachsenem, die 1:1 umgewechselt wurden, nur noch ein Zehntel wert. Aber ab da ging es schrittweise jahrzehntelang nur bergauf.

Die Berichterstatterin wollte anonym bleiben. Sie ist dem Verfasser gut bekannt, er bürgt für die Richtigkeit ihrer Aussagen.


Zeitgeschichte

Zeitzeugenberichte:

Weißenburg zwischen Kriegsende und Währungsreform (1945-1948)

Ein gebürtiger Weißenburger erinnert sich:

Ich war während des Krieges Oberschüler. Dass der Krieg eine konkrete Gefahr für mich bedeuten sollte, erfasste ich damals noch nicht. Die englischen Bomben, die 1940 auf der Schönau gefallen sind, blieben für Weißenburg Gott sei Dank ohne Folgen. Sie waren für mich eher ein Abenteuer. Wenn es in der Nacht Fliegeralarm gab, fing der Unterricht erst eine Stunde später an. So hoffte ich öfters auf Fliegeralarm. Im Soldaten sah ich den stolzen Uniformträger, den ich bewunderte. Verwundung oder Tod hatte ich dabei nicht im Kopf.

Damals begann das Schuljahr zu Ostern. Wir wurden nach der 7. Kl. Oberschule (heutige Zählung: 11. Kl. Gymnasium) mit einem „Abgangszeugnis („Reifevermerk“ – Notabitur) entlassen und am 3. Mai 1944 zur Wehrmacht eingezogen. Ich kam zu den Funkern. Wir wurden im Verlauf des Krieges nach Süden abgedrängt, waren vorher noch zur Ortsverteidigung eingesetzt und weil die Einheiten zersprengt waren, sollten wir uns auf eigene Faust auflösen. So schlugen wir uns zu zweit nach Kufstein durch, teils zu Fuß, teils von Wehrmachtsfahrzeugen mitgenommen, und harrten dort bis zum Kriegsende am 8. Mai 1945 aus. Dieses Gebiet war noch nicht besetzt. Der Frau, bei der wir untergebracht waren, schenkten wir zum Dank eine gegerbte Kuhhaut (Rindsleder), die wir aus Wehrmachtsbeständen hatten.

Sie hat uns noch nach Oberbayern gebracht, aber die amerikanischen Besatzungssoldaten haben uns geschnappt. Wir hatten ja noch die Uniform an. Sie nahmen uns unsere Uhren und Füller ab, verluden uns auf einen LKW und brachten uns in ein Gefangenenlager unter freiem Himmel bei Brannenburg im Inntal (südlich von Rosenheim). Dort mussten wir bis Mitte Juli unter freiem Himmel schlafen. Es fanden sich auch einige Weißenburger unter den Gefangenen. Wir gruben uns eine etwa 3 x 3 m große Grube, um nicht so schutzlos dem Wind ausgesetzt gewesen zu sein. Die ersten Tage hatten wir nichts zu essen. Ich musste von den spärlichen Resten in meinen Manteltaschen leben. Später bekamen drei Mann ein Kommissbrot am Tag. Trotzdem waren sowohl während des Krieges als auch jetzt in der Gefangenschaft Kameradschaft und gegenseitige Hilfe großgeschrieben.

Nach und nach wurden dann Gefangene entlassen: zuerst Bauern zur Feldbestellung, dann Eisenbahner und Schüler. Ich gab mich als Landwirtschaftsschüler aus und war bei den Entlassenen. Wir wurden auf einen LKW der US Army geladen, der Richtung Nürnberg fuhr. In Weißenburg durfte ich vom Laster springen und war frei.

Datei:Stele.jpgIch hatte den Krieg überlebt, während etwa ein Drittel meiner Klassenkameraden gefallen war. Die Stele im alten Gymnasium, der heutigen FOS, nennt alle Namen. Ein 19-jähriger Schulfreund hatte besonderes Pech: Er stand an der Türe und schaute den in Weißenburg einrückenden Amerikanern zu. Er hatte die grüne Trachtenjacke seines Vaters an. Daraufhin nahm ihn ein Amerikaner fest mit den Worten: „Du Alpenjäger!“ Er kam ein Dreivierteljahr in Gefangenschaft.

Vom Herbst 1945 bis Frühling 1946 belegte ich als Evangelischer an der katholischen Bischöflich philosophisch-theologischen Hochschule in Eichstätt, wo ich ein Zimmer mieten konnte, verschiedene Fächer, u. a. Englisch, Logik und Mathematik und legte Prüfungen ab. Im Schuljahr 1946/47 besuchte ich dann in Weißenburg die Abschlussklasse an der Oberschule, musste aber kein Abitur mehr schreiben, da ich ja schon den Reifevermerk hatte.


Ein besonderes Problem war die Sperrstunde, anfangs von 18 – 6 Uhr früh, später von 22 – 6 Uhr. Kein Deutscher durfte sich da mehr auf der Straße aufhalten. Die amerikanischen Besatzer waren da sehr streng. Auch tagsüber führten sie Kontrollen durch. Sie hatten unter anderem im Café Engelhardt in der Ellinger Str. und auch in der Luitpoldstraße Quartiere. Es waren meist Farbige. Wenn sie angetrunken waren, suchten sie Händel, riefen einem Schimpfwörter nach oder durchsuchten einen und gelegentlich nahmen sie Gegenstände ab. Einmal wollte einer mit mir boxen. Sie zogen auch sehr schnell die Waffen. Man musste gewärtig sein, dass sie die Waffe zogen. So wurde ein Jugendlicher einmal angeschossen. Wenn man bis zur Sperrstunde nicht zu Hause war, musste man bei anderen Leuten übernachten. Man riskierte unter Umständen sein Leben, nach dieser Zeit noch auf der Straße zu sein. Die Sperrstunde galt auch an Silvester!

Bis Kriegsende klappte die Versorgung mit Lebensmitteln noch verhältnismäßig gut, aber nach dem 8. Mai 1945 brach auch diese zusammen. Was dann über die Lebensmittelkarten zugeteilt war, reichte hinten und vorne nicht aus. Somit blühten der Tauschhandel und Schwarzmarkt. Ich rauchte zwar, aber wenig. So war ich da schon besser dran als viele Männer, die im eigenen Garten oder auf Balkonkästen Tabak anbauten, diesen dann selbst fermentierten, feinschnitten und in Zeitungspapier rollten zum Rauchen.

Ansonsten fuhren wir immer wieder auf die Dörfer zu den Bauern und versuchten durch Tauschen Lebensmittel zu bekommen, z. B. einen Teppich gegen ein Stück Schweinefleisch. Im Herbst 1945 und 1946 haben wir uns auch mit Äpfeln „versorgt“. Der Hunger war größer als das schlechte Gewissen. Geld hatte praktisch keinen Wert mehr.

Am besten ging es den Bediensteten bei den amerikanischen Militärbehörden. Sie bekamen Schokolade oder – noch wertvoller – amerikanische Zigaretten (Lucky Strike). Die waren Gold wert. Für die konnte man nahezu alles haben. Und auch Mädchen, die ein Verhältnis mit einem amerikanischen Besatzungssoldaten eingingen, standen materiell gut da.

Aber nicht nur der Hunger plagte uns, es gab auch keine Schuhe. So trugen wir z. B. auch Schuhe, die aus einer dicken Holzsohle bestanden und anstelle des Oberleders eine Kappe aus festem Stoff hatten – nichts für Regenwetter! Und da „Spinnstoffe“, wie es damals hieß, kaum zu bekommen waren, trugen wir Militärkleidung auf.

Die Entnazifizierung war für mich problemlos, da ich unter das „Jugendamnestiegesetz“ fiel, wie diese Bestätigung zeigt:

Ich wollte Chemie studieren. Der damalige Landtagsabgeordnete Heiner Stöhr fuhr mit meinem Vater und mir noch zur Universität Erlangen, um für mich ein gutes Wort einzulegen, da beim Studium Rückkehrer bevorzugt wurden. Aber mir fehlten die Praktika. So entschloss ich mich für den Abiturientenlehrgang 1947/48 an der Lehrerbildungsanstalt in Nürnberg. Dieser Ausbildung für Volksschullehrer ging eine psychologische Prüfung voraus – bestimmt keine schlechte Einrichtung. Über 700 Interessenten meldeten sich, nur etwa 70 wurden genommen, ich war einer der Glücklichen. Es folgten Einsätze als Lehramtsanwärter in Weißenburg und Suffersheim.

Als Lehrer war ich eine Amtsperson und war bei der Währungsreform am Sonntag, dem 21. Juni 1948, in Weißenburg in der Umtauschstelle eingesetzt, in der Reichsmark in die neue DMark gewechselt wurden. – Danach begann ein neues Leben, weil es auf einmal wieder alles gab.

Der Berichterstatter wollte anonym bleiben. Er ist dem Verfasser gut bekannt und bürgt dafür, dass alle Aussagen nach bestem Wissen und Gewissen gemacht wurden.


Zeitgeschichte

Erinnerungen an die Jahre 1945 bis 1948 von Dr. Horst Spitschka

Ich versuche mit diesen Zeilen einige meiner Erinnerungen niederzulegen, die mir als damals Zehnjährigen bis heute geblieben sind. (Dabei erspare ich mir weitgehend die Erlebnisse während der Vertreibung und möchte überwiegend die Zeit danach behandeln.) Die meisten sudetendeutschen Heimatvertriebenen kamen mit den organsierten Transporten ab 1946 nach Weißenburg und verbrachten die erste Zeit auf der Wülzburg. Meine Eltern und ich wurden allerdings schon am 23. Juni 1945 nur mit den Kleidern, die wir am Leib hatten, aus unserem Haus in Luditz, einer Kleinstadt im Egerland (Westböhmen), getrieben und vom Vater getrennt in einer Schule eingesperrt. Am 17. Juli 1945 wurden meine Mutter und ich auf einem Lastwagen an die deutsch-tschechische Grenze nach Oberwiesenthal (Sachsen) transportiert. Von dort ging es mit dem Zug weiter nach Dresden und dann in die Gegend von Plauen. Nach einem abenteuerlichen Nachtmarsch durch Wälder und Sumpfgebiete kamen wir über die Demarkationsgrenze nach Bayern. Meine Eltern hatten, für den Fall einer Trennung, ausgemacht sich bei einer Verwandten in Frickenhausen am Main wieder zu treffen.

Aus dem Nachlass meiner Eltern weiß ich, dass meine Mutter und ich am 23. Juli 1945 die damalige Sowjetische Besatzungszone verließen. Da uns die Tschechen bis auf sieben Reichsmark alles abgenommen hatten, verdiente meine Mutter, eine Lehrerin für Handarbeit und Hauswirtschaft, ein wenig Essen und die Übernachtungen durch Näharbeiten bei Leuten, die uns aufgenommen hatten. Unser Weg führte uns von Hof über Bayreuth und Schweinfurt nach Kitzingen. Dort kamen wir bei einem Bäcker unter, der viele Kinder hatte. Auch dort nähte meine Mutter mehrere Tage für die Kinder. Dafür bekam ich nach langer Zeit wieder Kuchen zu essen. Zum Abschied erhielten meine Mutter und ich einige Kleidungsstücke, die wir doch dringend benötigten. Meine Mutter erwähnte mir einmal später, auf Grund der Erfahrungen, die wir auf unserem Weg hatten, den Auszug aus der Bibel “ Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr…..“. Es waren für uns harte und entbehrungsreiche Wochen und wir hatten oft nichts zu essen und wussten nicht, wo wir am Abend schlafen konnten. In Frickenhausen angekommen, wurden wir von meiner Cousine herzlich begrüßt. Von den anderen Verwandten, bis auf eine Ausnahme, schlug uns Unverständnis entgegen. Diese Menschen konnten sich damals nur schwer in unsere Lage versetzen. Da die Vertreibung aus dem Sudetenland im großen Stil erst 1946 richtig begann, war für die Einheimischen unsere Ankunft in dem jämmerlichen Zustand unverständlich. Meine Mutter suchte sich dann sofort Arbeit und fand diese zunächst in einer Hosenträgerfabrik. Da bei dieser schlecht und unpünktlich bezahlt wurde und die Verwandten uns mehr oder weniger baten weiterzuziehen, kamen wir über Umwegen nach Weißenburg, wo wir uns am 29. Dezember 1945 angemeldet haben.

Der Gebäudekomplex des Krankenhauses "Am Nußbaum"

Auch hier bemühte sich meine Mutter sofort um eine Arbeit und konnte am 1. Januar die Stelle als Chefköchin im Krankenhaus „Am Nußbaum“ antreten. Vielen Weißenburgern ist das heute nicht mehr bekannt. Es bestand aus drei Gebäuden auf der Ludwigshöhe etwa auf Höhe des Altersheims der Arbeiterwohlfahrt, aber weiter östlich. Das Krankenhaus diente zur Unterbringung von Frauen, die sich mit den amerikanischen Besatzungssoldaten eingelassen hatten und sich entweder schon Geschlechtskrankheiten zugezogen hatten oder dort zur Vorsorge untersucht werden sollten. Die Krankenräume waren vergittert, und es wurde auf absolute Quarantäne geachtet. Im ersten der drei Gebäude waren die Küche und Wirtschaftsräume. Hier wohnten später auch meine Eltern und ich in einem kleinen Zimmer bis 1948. Die „kasernierten“ Damen wurden wohl auf Anweisung der Amerikaner ausreichend mit Lebensmitteln versorgt, sodass auch wir ab da wenigstens nicht mehr Hunger leiden mussten. Das Krankenhaus hatte natürlich einen denkbar schlechten Ruf, was sicher auch der Grund war, dass meine Mutter die Anstellung so schnell bekommen hatte. Der damalige Chefarzt war Herr Dr. Muggenthaler. Dieser achtete allerdings streng darauf, dass die Gesundheitsvorschriften eingehalten wurden und ein Kontakt zwischen dem Küchenpersonal und „Patienten“ nicht möglich war. Im Juli 1948 wurde das Krankenhaus geschlossen und meine Mutter arbeitete wieder in ihrem Beruf als Lehrerin. Doch zurück zu 1946. Da die Frau des Chefarztes eine Gesangsausbildung genossen hatte und meine Mutter eine ausgezeichnete Pianistin war, kam es bald zu privaten Kontakten. Frau Muggenthaler und Frau Belz, ebenfalls eine ausgebildete Operettensängerin und Frau des späteren Leiters des Weißenburger Gesundheitsamtes, engagierten meine Mutter als Begleiterin am Klavier. Diese freundschaftlichen und musikalischen Beziehungen mit Frau Belz hielten bis zum Tod meiner Mutter im Jahr 1999. Diese menschlichen Kontakte halfen uns auch sehr bei den Bemühungen, sich in Weißenburg zu integrieren.

Nun zu meinem Vater. Dieser war von den Tschechen ebenfalls eingesperrt worden und kam erst im Oktober 1945 zu uns nach. Damals war meine Mutter kurzfristig als Lehrerin in Sulzdorf bei Ochsenfurt tätig.

Wie alle Deutschen musste er einen Fragebogen zur Entnazifizierung ausfüllen. In diesem gab er an, dass er ehrenamtlicher Bürgermeister in der Stadt Luditz gewesen sei, da er wegen einer Lungenschädigung nicht wehrtauglich war. Er wurde nun zu einer Befragung durch die Amerikaner vorgeladen, da es damals keine deutsche Rechtssprechung gab. Dem jungen amerikanischen Verhandlungsführer, des Deutschen nur bedingt mächtig, war der Begriff „ehrenamtlich“ nicht bekannt, im Gegenteil sogar suspekt, und er verurteilte meinen Vater wegen Fälschung des Fragebogens zu 11 Monaten Gefängnis in Bayreuth. Später erfuhren wir, dass eine Kollegin meiner Mutter meinen Vater denunziert hatte, da sie diese Lehrerstelle in Sulzdorf anstrebte. Aus diesem Grund wurde meine Mutter als Lehrerin entlassen und so kamen wir nach Weißenburg. Mein Vater war 1947 bis Mitte 1948 als Lagerist bei der Firma Raab beschäftigt (das war ein sozialer Abstieg), dann einige Zeit bei der Süddeutschen Bekleidungsindustrie der Herren Dr. Aisenstadt und Barik der späteren Firma Regent. Am 1. April 1949 machte er sich mit seinem Landsmann Adolf Kauer selbstständig und gründete die spätere "Edelstein Kleider- und Wäschefabrik GmbH". (Siehe dazu die verschiedenen Beiträge im Wugwiki unter „ Zeitgeschichte“)

Als Kind wurde ich von den damaligen Schwierigkeiten zwischen Alt- und Neubürgern nur wenig tangiert. Allerdings bekam ich die täglichen Existenzsorgen meiner Eltern hautnah mit. Da es damals kaum etwas zu kaufen gab, was man heute als selbstverständlich ansieht, so wuchs man eben auf, ohne große Ansprüche stellen zu können. Auch war das Einkommen damals so niedrig, dass es gerade für den Lebensunterhalt reichte. Eine Versorgung durch den Staat, wie man das heute erwartet, war nicht möglich.

Ich besuchte ab Herbst 1946 die Oberrealschule in Weißenburg. Nach meinen Unterlagen waren mehr als dreißig Prozent meiner Mitschüler Flüchtlings- bzw. Vertriebenenkinder oder stammten nicht aus Weißenburg. Die Situation in Deutschland für uns junge Menschen war damals katastrophal. Es gab wenig zu essen und eine Versorgung mit Kleidung praktisch nicht gegeben. Wir hatten daher beinahe alle die gleichen Probleme und verstanden uns wohl deshalb auch so gut. Da wir keine Bücher hatten, mussten uns die Lehrer alles diktieren. Da hatten wir wieder das Problem, dass es keine Hefte zu kaufen gab. Ich erinnere mich noch an die Schulspeisung, die wir erhielten. Es war ein mit viel Wasser und etwas Milch zubereiteter Kakao. Wir nannten das Getränk „Negerschweiß“. Auch weiß ich noch, dass wir im Winter in nahezu ungeheizten Räumen unterrichtet wurden und im Sommer barfuß in die Schule kommen durften. Eine Sache bleibt mir noch heute in bester Erinnerung. Da ich mit Helmut, dem jüngsten Sohn des Herrn Dr. Dörfler in das Gymnasium ging, waren wir bald befreundet. Dank des Einsatzes der Eheleute Dörfler und Semmlinger konnte ich mit 16 Jahren Mitglied des exklusiven Weißenburger Tennisclubs werden. Das war damals für ein Flüchtlingskind eine Ausnahme. Die Freundschaft mit den Dörfler- und Semmlinger-Nachkommen ist auch heute noch sehr eng und freundschaftlich.

So ist meinen Eltern und mir die Integration in Weißenburg bald und schnell gelungen. Ich erinnere mich an einen Spruch den mir meine Eltern mitgegeben haben:“ Man kann einem Menschen alles an Hab und Gut nehmen, aber nicht das, was er im Kopf“ hat. So erklärt sich auch der überdurchschnittlich hohe Anteil an Kindern aus Familien von Heimatvertriebenen. Und nach diesem Grundsatz habe auch ich mein Leben ausgerichtet.

Die Bombardierung Weißenburgs am 23. Februar 1945

Gegen 12:30 Uhr gab es den einzigen schweren Luftangriff auf Weißenburg im Zusammenhang mit der Bombardierung Treuchtlingens und Ellingens, bei dem 21 Menschen ums Leben kamen und erheblicher Sachschaden entstand. In einem Schreiben des Stadtbauamtes vom 2. Juli 1945 an das Landratsamt wird berichtet, dass fünf Wohnhäuser ganz zerstört wurden, zwei zu mehr als der Hälfte und 15 Gebäude mittlere oder geringe Schäden aufwiesen.

Es ist anzunehmen, dass ein Flugzeug vom Typ der B-17-Bomber der US-amerikanischen Luftwaffe aus der Angriffsformation auf Ellingen ausscherte und Weißenburg ins Visier nahm. Ob dabei der Bahnhof zerstört werden sollte, ist nicht klar. Bekannt ist nur, dass an diesem Tag das Luftkampfunternehmen "Clarion" lief, das zum Ziel hatte, möglichst viele Verkehrsverbindungen im gesamten Deutschen Reich zu zerstören. Alle Augenzeugen berichten, dass der Angriff sehr schnell kam und praktisch keine Zeit mehr war, sich noch in Sicherheit zu bringen. Es fielen mehrere Splitterbomben im südlichen Bereich des Platzes Am Hof. Durch den heftigen Luftdruck wurden viele gegen die Wand oder gegen Möbelstücke geschleudert und zogen sich dadurch Verletzungen zu, einige wurden dabei sogar getötet. Zahlreiche Menschen waren wegen der Fliegeralarmwarnungen schon am Vormittag sicherheitshalber in die Felsenkeller am Stadtrand geflüchtet.

Hans Mutzbauer war als Siebzehnjähriger zur Flugwache am Turm der Andreaskirche eingeteilt und sah, wie eine riesige Staubwolke an der Einschlagsstelle aufstieg. Sofort nach der Entwarnung trafen Helfer ein, sowohl der Reichsarbeitsdienst (RAD), der in der Jahnstraße beim ehemaligen Sportplatz des TSV Weißenburg untergebracht war, als auch russische Kriegsgefangene von der Wülzburg sowie zahlreiche freiwillige Helfer. So konnte als Erster ein kleiner Schuljunge aus den Trümmern gerettet werden. Auch ein kleines Mädchen, das verschüttet war und verzweifelt um Hilfe rief, konnte aus dem Schutt befreit werden. Für die beiden Enkelkinder der Schönmetzler-Oma, die diese aus München zu sich geholt hatte, um sie vor den dortigen Bombenangriffen zu schützen, kam jedoch jede Hilfe zu spät wie für viele andere auch. Die 21 Toten - unter ihnen neun Kinder, das jüngste nur wenige Tag alt - wurden in der Albrecht-Scheune aufgebahrt und noch am selben Tag am Nachmittag am Südfriedhof bestattet. Der Grabstein erinnert an die Opfer.

Ein weiterer Luftangriff auf Weißenburg durch Tiefflieger erfolgte am 21. April 1945 - zwei Tage vor dem Einmarsch der US-amerikanischen Soldaten in Weißenburg. Glücklicherweise kam dabei niemand ums Leben, wohl aber wurden sechs Gebäude gänzlich zerstört, drei weitgehend und drei weitere erheblich. Die Wunden waren bis in die 1970er Jahre im Stadtbild (z. B. in der Judengasse) zu sehen.

Datei:Grabstein.JPG

Trotz der traurigen Bilanz von 21 Toten kam Weißenburg noch verhältnismäßig glimpflich durch den Krieg im Vergleich zu den Nachbarstädten Ellingen, das am gleichen Tag durch amerikanische Fliegerangriffe 94 Tote zu beklagen hatte, und Treuchtlingen, in dem es 586 Tote gab - ganz zu schweigen von den Großstädten Nürnberg, München oder gar Würzburg und Dresden mit vielen Tausenden von Toten.

Quellen: Berichte verschiedener Weißenburger/innen und Artikel im Weißenburger Tagblatt vom 25.02.1995 (von Uwe Ritzer) und vom 26.02.2004 (von Hubert Stanka)


Möhrenbach

Möhrenbach, der mundartlich: mεәnbôχ, früher: mîәnbôχ

Lokalisierung:

Die kurzen Quellbäche entspringen in der Fränkischen Alb und fließen bei Otting, Schwaben, zusammen. Der Möhrenbach mündet bei Treuchtlingen unterhalb der Burgruine rechts in die Altmühl. Nördlich von Möhren mündet der Lämmerberggraben.

Belege:

1281 fluvium dicitur Mern – 1354 Meren – 1504 die Mern – 1516 Mörn [1] – 1599* Mörn der ursprung und Ottinger bach [2] – 1721 Die Möhren [3] - 1833 Möhrn [4]

Deutung:

Es ist von germanisch *marinō (= fließendes Gewässer mit sumpfigen Stellen) auszugehen [5], Möhren ist eine -n-Ableitung. Das -ar- konnte zu -er- umgelautet werden, woraus sich in der älteren Mundart wiederum -îә- (für das Umlaut-e) bildete (analog zu îәdә aus ergetag = Dienstag). Noch 1596 heißt der Bach nur die Möhren[6] . Als man den ursprünglichen Gewässernamen nicht mehr erkannte, fügte man an das Grundwort -bach an.

Parallelnamen:

Möhrenbach (Fluss und Gemeinde im Ilmkreis / Thg.), Mörn, rechts zum Inn; Meern, Fluss in Südholland (Utrecht).

Wasserwirtschaft

Datei:Möhrenbach.jpg

Der Wasserstand des Baches ist recht unterschiedlich. So kommt es immer wieder zu Hochwassern mit größeren Überschwemmungen, andererseits trocknet das Bachbett im Oberlauf in längeren Perioden ohne Niederschlag aus, das letzte Mal im September 2012. So haben in einer gemeinsamen Aktion der Landschaftspflegeverband, das Wasserwirtschaftsamt, die Bezirksfachberatung für Fischerei und zahllose freiwillige Helfer im Spätsommer 2012 2550 Bachmuscheln und 4500 Edelkrebse aus dem ausgetrockneten Bachabschnitt zwischen Gundelsheim und Möhren eingesammelt und in einen von Bibern aufgestauten Gewässerabschnitt gebracht.[7] Wegen dieses unregelmäßigen Wasserstandes haben alle Mühlen eine Ableitung als Mühlgraben, der zur gleichmäßigen Wasserzufuhr für das ehemalige Mühlrad notwendig war.


Verkehr

Durch das Möhrenbachtal führt die Staatsstraße 2217 von Treuchtlingen bis Möhren Richtung Rehlingen und ab Möhren die Kreisstraße WUG 6 nach Gundelsheim, außerdem verläuft die Bahnstrecke Nürnberg–Augsburg durch das Möhrenbachtal.


Siedlungen am Möhrenbach (Ortsteile von Treuchtlingen seit 1. Juli 1972):

Gundelsheim

katholisches Kirchdorf; 1097 Graf Rapoto überträgt Gundoltesch(eim) dem Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg - 1146 wird in einer Kopie von 1175 ein Adalbert von Dambach genannt, der Besitz in Gundoldesheim für 11 Talente verkauft - 1183 (Nachtrag 1. Viertel des 13. Jh.s) Das Kloster St. Ulrich und Afra hat die Kirche in Gundolshaim von Herrn Engelhard von Adelburg um sechs Regensburger Talente ausgelöst - 1268 Gundoltsheim - 1422 Gündelsheim - 1424 an Gundeltzhainer gemaind - 1522 Gundelsheim [8]

Der Ortsname, mundartlich gundlschә, ist aus dem Grundwort -heim gebildet, althochdeutsch heim = Wohnsitz, Heim, Heimat, und dem Personennamen Gundolt. Das -e- der Genitivendung fiel aus, das -o- in der zweiten Silbe der Erstnennung des Namens wurde abgeschwächt zu -e-. Das -s- zwischen Gundolt- und -heim wird gemäß der Mundart zu -sch-, erscheint aber nicht schriftsprachlich. Der germanische Personenname Gundolt besteht aus den Wortteilen gund = Kampf und old = waltend, herrschend.


Möhren

katholisches Pfarrdorf; ca. 1175 wird erstmals ein Adelbert de Merne genannt - 1204 Adelbert de Meren (Fälschung nach 1215) - 1214 (Kopie von 1444) Mühle bei Merna - 1313 de Meren - 1575 Andreas Fuchs von Bimbach zu Möhrn - 1583 Andreas Fuchs zue Möhren [9]

Der Ortsname, mundartlich meәn, leitet sich von dem gleichnamigen Gewässer ab (s. o.). Diese Gewässernamenwurzel ist im nördlichen Mitteleuropa weit verbreitet.


Fuchsmühle

Ehemals die Mühle „eines Mannes namens Fuchs“, in einer älteren Schreibweise „Fuxmüll“. Weitere historische Namen für die Mühle sind Schermühle und Möhrmühle. - 1522 ging das Gut nahe Möhren an die Herren von Fuchs von Bimbach über, die die Mühle am „Marbrunnen“, einem ergiebigen, dem Möhrenbach zufließenden Quellbach, erbauten. - 1600 Fuchsmüll - 1744 Möhringer Fuchß-Mühl- 1806 kam die Mühle mit Möhren zum Königreich Bayern - 1862 zum Bezirksamt (ab 1935 Landkreis) Donauwörth - 1841 war die Mühle ein „Mühlgut mit realer Mühlgerechtigkeit, zwey Mahlgängen und einer Säge.“ Die Fuchsmühle blieb bis zur Gebietsreform 1972 ein Ortsteil von Möhren, seitdem Gemeindeteil von Treuchtlingen und kam damit vom Regierungsbezirk Schwaben zu Mittelfranken. 1928 wurde die Juraquelle der Mühle gefasst und an das Treuchtlinger Wasserleitungsnetz angeschlossen. Der Mahlbetrieb wurde nach 1945 aufgegeben. Da zur Mühle keine nennenswerten landwirtschaftlichen Flächen gehören, haben die fünf Anwesen nur Wohnfunktion.[10]


Mattenmühle

1300 gibt der Brunitzenmüllner an der Mern an das Kloster St. Walburg in Eichstätt - 1361 Brunitzmüllerin - 15. Jh. Steigmüll a. d. Meren - 1651 Prenneisenmül - 1667 Matten- oder Brenneisenmühl - 1700 Mattenmühle

Die älteren Namensbelege weisen auf einen Besitzer Brunitz o. ä. hin (verderbt zu Brenneisen). Der Name Steigmühle bezieht sich auf den Steig, der hier vom Möhrenbachtal nach Haag bzw. Rehlingen führt. Im Wort Mattenmühle steckt der Vorname Matthias, denn ein Familienname Matt o. ä. ist für die Mühle in den Pfarrmatrikeln von Treuchtlingen nicht nachweisbar.


Schürmühle

1281 gibt Graf Friedrich von Truhendingen dem Kloster Fulda für das Kloster Solnhofen die Hörnlinsmul super fluvio Mern gegen Tausch - 1363 Hörnleins-Mul - 1447 Albrechts müll - 1596 Schirers Mül a. d. Möhren, früher Albrechtsmül - 1667 Schür-, Albrechts-, auch Chezenmüll genannt- 1732 Schürmühle. 1988 wurde der Getreidemahlbetrieb aufgegeben, heute ist das Anwesen ein großes Sägewerk und seit 1910 in Besitz der Familie Schmidt.

Der Namen der Mühle weist zunächst auf einen Besitzer Hörnlein, dann Albrecht und später Schirer hin. Letzterer wurde dann fest. Im Namen Chezenmüll steckt das mittelhochdeutsche Wort ketzen/ketschen, das so viel wie schleifen, schleppen bedeutet.


Dickmühle

1360 Dickmul an der Meern: Heinrich von Pappenheim bestätigt, dass die Mühle von seinem Vorfahren an die Kapelle zum Hl. Geist in Pappenheim gegeben wurde - 1559 Zohlmühle zum Augustinerkloster Pappenheim - 1596 Bartels Mühl a. d. Möhrn - 1667 die Zollmühle zur Herrschaft Treuchtlingen (vor dem 30-jährigen Krieg noch pappenheimisch). Mit der Herrschaft Treuchtlingen ging sie an das Fürstentum Ansbach über und diente nunmehr als Zollstation zwischen dem ansbachischen und dem pappenheimischen Territorium. - 1803 „Zollmühle“ zum ansbachisch-markgräflichen Verwalteramt Treuchtlingen.[2] - 1810 Dickmühle der Munizipalgemeinde Treuchtlingen, 1857 der Gemeinde Haag zugeschlagen, die 1972 zu Treuchtlingen kam. - 1865 wird die Dickmühle vom Besitzer Wilhelm Wiesinger in einer Verkaufsofferte als Mühle mit vier Mahlgängen und einem Gerbgang beschrieben, dazu eine Säge-, Öl- und Gipsmühle; an Gebäuden zusätzlich Stadel, Stallung und Wagenremise, „alles in bestbaulichem Zustande.“[11]. Das 1750 in Betrieb genommene Sägewerk existiert heute noch, während das Getreidemahlen in den 1970er Jahren eingestellt wurde. Zugleich ist das Anwesen ein landwirtschaftlicher Betrieb.

Der Ortsname wird gedeutet als „zu der Mühle am Waldteil Dicke“; der Flurname „in der Dickhe (= am Dickicht)“ ist für 1621 belegt.[12]


Sägmühle

1354 verkauft Ulrich von Treuchtlingen die Reysmůl an Wirich von Treuchtlingen - 1359 Reysenmühle - 1447 verkauft Hanß von Seckendorf seinen Untertan auf der Seegmühl, Andreas Müller, an Heinrich von Pappenheim - 1453 Reißmül zur Herrschaft Pappenheim - 1596 Seegmüller gehört zur Herrschaft des Erbmarschall zu Treuchtlingen - 1716 Seeg- od. Raißmühle an Johann Walchmüller. Um 1955 wurde das Getreidemahlen eingestellt. Am Zusammenfluss vom Mühlbach und Möhrenbach steht ein großer Grenzstein im Wasser, der die alte Grenze zwischen der Herrschaft Pappenheim (Wappen auf der Westseite) und dem Verwalteramt Treuchtlingen des Fürstentums Ansbach markiert.

Der Name Reismühle bedeutet: Mühle, auf der Kriegsdienstpflicht ruht (althochdeutsch reisa = Heerreise, Kriegsfahrt. Nachdem ein Sägewerk eingerichtet wurde, erhielt die Mühle nach ihm den Namen. Da sie seit 1716 in Besitz der Familie Walchmüller, heute Wallmüller, ist, heißt sie daher im Volksmund auch Wallmühle.[13]


Schmarrmühle

504 ein mul, do die Mern in die altmul fleust - 1596 Hans Mack, Neher Hofmüller zur Herrschaft des Veit Erbmarschall nach Treuchtlingen gehörig - 1642 Nöchersmühl - 1732 Nähermühl - 1765 Näher- oder Schmarmühl - 1768 Schmarnmühl

Der ältere Name bezieht sich auf einen früheren Besitzer Näher oder ähnlich. Im Namen Schmarrmühle steckt das früher in der Mundart gebräuchliche Wort schmarrn für einen schmutzigen Fleck, womit wohl der sumpfige Boden der Umgebung gemeint ist.


Fußnoten

  1. alle Belege nach STRASSNER, Erich, Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Mittelfranken, Band 2: Land- und Stadtkreis Weißenburg i. Bay., 1966, S. 39
  2. VOGL'sche Karte: Landgericht Graisbach, * = Kopie von 1757; Diözesanarchiv Eichstatt LG
  3. Nova Comitatus Pappenheimensis Tabula (Landkarte), Diözesanarchiv Eichstätt
  4. Nr. 28 Steuergemeinde Möhren, k. Landgericht Monheim im Rezat-Kreise, 3. Extraditionsplan, München 1833
  5. GREULE, Albrecht: Die Rolle der Derivation in der altgermanischen Hydronomie; in: Suffixbildungen in alten Ortsnamen. Hrsg. v. Thorsten Anderson u. Eva Nyman, Uppsala 2004, S. 202 und drs. in Dt. Gewässernamenb., Stichwort Möhrenbach
  6. STRASSNER, s. o. , S. 61, Nr. 184
  7. Wochenanzeiger Weißenburg - Gunzenhausen - Treuchtlingen vom 16.05.2013, S. 7
  8. KELLER, Judith: Historisches Ortsnamenbuch von Bayern, Schwaben, Band 10: Der ehemalige Landkreis Donauwörth, ISBN 978 3 76966864 3, S. 90f
  9. KELLER, J., S. 174f
  10. Quellen: LIDL, Josef Hsg., Heimat- und Bäderverein Treuchtlingen e. V. (Hrsg): Heimatbuch Treuchtlingen. Treuchtlingen [um 1984] - PFISTER, Doris: Historischer Atlas von Bayern, Donauwörth. Der ehemalige Landkreis. München: Kommission für bayerische Landesgeschichte 2008, S. 328, 330, 333, 334, 337, 341, 358 u. 370 - KELLER, J., s. o. S. 106, S. 76 - Wikipedia Treuchtlingen
  11. Fränkische Zeitung (Ansbacher Morgenblatt) Nr. 191 vom 15. August 1865
  12. Alle urkundlichen Belege und die Deutung nach STRASSNER, E., s. o., S. 11 und LIDL, Josef: Heimatbuch Treuchtlingen, Hsg. Heimat- u. Bäderverein Treuchtlingen e.V., S. 124 und 209
  13. nach STRASSNER, s. o., S. 57; LIDL, Treuchtlinger Heimatbuch, S. 140 und Wikipedia: Treuchtlingen