Zeitgeschichte 1945–1948 (5)

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Ein gebürtiger Oberhochstatter erinnert sich an die Zeit von 1945 bis 1948

(Zeitzeugenbericht von Robert Auernhammer)

Schon 1940 bekamen wir in den Bauernhof meiner Eltern Einquartierungen von vier saarländischen Familien, die wegen des Frankreichfeldzuges evakuiert wurden und bis zum Kriegsende blieben. Ebenso wurden uns und anderen Höfen polnische Fremdarbeiter zugeteilt. Diese trafen sich gelegentlich bei uns, um gemeinsam zu singen, zu musizieren und zu tanzen.

Wir wurden noch als Dreizehnjährige von einem SS-Mann zum Gebrauch einer Panzerfaust ausgebildet. Für die meisten waren diese Waffen zu schwer.

Konfirmation

Meine Konfirmation war am Ostermontag, dem 2. April 1945. Als wir sechs Knaben und acht Mädchen gerade vor dem Pfarrhaus standen, um zur Kirche zu ziehen, heulten in Weißenburg und Ellingen die Luftschutzsirenen: Fliegeralarm! Aber wir wollten doch unsere Konfirmation, die dann unter fernem Geschützdonnergrollen stattfand. Die weitere Feier verlief ruhig, aber am Abend herrschte Verdunkelungspflicht.

Das härteste Kriegserlebnis war für mich im April 1945. Ich lag mit einem Saarländer Buben im Krautgarten, als wir plötzlich Bomben fallen hörten. Feindliche Flieger hatten im Fürstenwald Bomben auf deutsche Wehrmachts-LKWs abgeworfen. Danach kreisten zwei Flugzeuge ganz tief über unser Dorf und beschossen es. Wir warfen uns zu Boden und kamen so mit dem Leben davon. Auf dem LKW waren sechs Weißenburger Buben, die noch einrücken mussten. Sie kamen leicht verletzt zu meiner Mutter, die sie verband. Nach einigen Tagen bei uns im Versteck mussten sie doch noch einrücken.

In den letzten Kriegstagen waren bei uns noch deutsche Pioniere einquartiert, die Brücken sprengen und Straßen blockieren sollten. Wenn sie abends Erfolgsmeldungen bringen konnten, bekamen sie Zigaretten als Belohnung. Sie zogen erst am 22. April ab. Vier Pioniere blieben zum Sprengen am 23. April zurück, denn in Oberhochstatt wurde an zwei Stellen gegen 11 Uhr am Berg gesprengt (beim heutigen Anwesen Am Berg 22, das damals noch nicht stand, und am „Burgschdl“). Doch die Wirkung war für die amerikanischen Panzer bedeutungslos. Sie sind problemlos über die Straßentrichter gefahren. Um die Mittagszeit des 23. April hörte man bereits Schüsse von amerikanischen Panzern, die am Höhberg standen. Da sind wir sofort in den Keller geschickt worden, auch die polnischen Fremdarbeiter.

In Oberhochstatt fürchteten die Amerikaner wegen der Sprengungen Widerstand. Es wurde deshalb etwa 15 bis 30 Minuten lang beschossen. Eine Kugel schlug bei uns oberhalb der Kuhstalltüre ein. Ein Mann wurde tödlich getroffen (der 33-jährige Georg Strauß). Wir haben die weiße Fahne gehisst. Dann zogen die amerikanischen Panzer ein. Der erste blieb gegenüber unserer Hofeinfahrt stehen. Ein Jeep fuhr bei uns bis vor die Haustüre. Ein Soldat mit einer Pistole durchsuchte unsere Wohnung. Er blieb aber erfolglos und zog wieder ab. Am Nachmittag gab es dann noch eine Schießerei von deutscher Seite her. Hier schlug eine Kugel bei uns ein. Noch am Nachmittag des 23. April schellte der Gemeindediener aus: Sämtliche Gewehre, Munition und Fahnen sind beim Bürgermeister abzugeben! Die Geräte wurden am Mittelweg zwischen Oberhochstatt und Kreuz(wirtshaus) durch Sprengung vernichtet. Aber das Jagdgewehr meines Großvaters war längst gut versteckt worden. Etwa 200 Amerikaner übernachteten auf unserem Hof. Sie zogen erst am nächsten Tag ab. Wir verbrachten die Nacht vom 23. auf den 24. April im Keller.

Ich war bei Kriegsende 13½ Jahre und sollte eigentlich im Mai 1945 in die 8. Klasse der Volksschule kommen. Aber als Bauernkinder wurden wir freigestellt, um zu helfen, die Ernährung der Bevölkerung sicher zu stellen.

Während des Krieges herrschte Zwangsbewirtschaftung, das heißt, jeder Hof war verpflichtet, je nach Größe z. B. eine bestimmte Menge Milch oder Anzahl von Eiern abzuliefern. Während wir uns am Bauernhof mit Lebensmitteln weitgehend selbst versorgen konnten (außer Zucker, Salz, Gewürzen u. Ä.), gab es doch bei anderen Dingen des täglichen Lebens oft große Schwierigkeiten. Das Geschirr für die Pferde konnte mein Vater notdürftig flicken. Wir hatten zwei Fahrräder, aber bei Mutters Rad war ein Schlauch kaputt. Wir versuchten den Fahrradmantel des Vorderrades mit Lumpen auszustopfen, aber das half nichts. Außerdem waren ja die Straßen noch nicht asphaltiert. Allerdings ging über Tausch sehr viel. Gegen Naturalien bekamen wir die Milchkannen repariert und – ganz wichtig – die Dachrinne gerichtet, wir brauchten ja dringend das Regenwasser.

Durch die Kriegshandlungen im Dorf gab es für mehrere Monate keinen elektrischen Strom mehr. Das Radio ging nicht, und da es keine Tageszeitung mehr gab, kamen die Nachrichten mit Verspätung an.

Das Sammeln von allem Möglichen ging nach Kriegsende weiter, z. B. Heilkräuter, Altstoffe, aber auch das Kartoffelkäferklauben war Pflicht und dringend geboten. Zur Kartoffelernte kamen Heimatvertriebene und Flüchtlinge von der Wülzburg als Helfer, z. T. mit Handwägelchen. Sie wurden durch Kartoffeln entlohnt. Eines Tages meldete sich ein Helfer für den nächsten Tag ab, weil er ein Geschäft anmelden wolle. Es war Karl Barnert aus dem Sudetenland, der in Weißenburg ganz bescheiden wieder mit dem Nähen von Miedern begann und später ein großer Bademodenhersteller wurde.

Als im Mai die saarländischen Familien und die polnischen Arbeiter heim konnten, bekamen wir Einquartierungen von Heimatvertriebenen. Das war die Familie Stiepak. Der spätere Direktor der Berufsschule und 2. Bürgermeister von Weißenburg Otto Stiepak, war mit mir fast gleichaltrig und wir verstanden uns gut. Die Bevölkerungszahl Oberhochstatts wuchs innerhalb weniger Monate von 778 (1939) auf 1008 (1946) und die Wohnungsnot war riesig. Als aber dann das Forsthaus der Familie Hölzl beschlagnahmt wurde, weil dort eine Funkstation der Amerikaner mit Funkmasten eingerichtet wurde, zog diese mit allen Möbeln bei uns ein und die Familie Stiepak musste wieder gehen.

Schon während des Krieges kamen immer wieder Weißenburger, die Lebensmittel gegen Wertgegenstände eintauschen wollten, verstärkt aber ab Mai 1945. So bekamen wir z. B. einen elektrischen Zigarettenanzünder, mit dem man den Ofen anschüren konnte. Als „Selbstversorger“ hatten wir keine Brotmarken. Wenn wir aber Semmeln haben wollten, mussten wir mit einem Mehlsäckchen als Tauschobjekt einkaufen. Zu essen hatten wir genügend, wenn es auch einfache Mahlzeiten waren. Und es reichte auch für einen vorbeiziehenden, heimkehrenden Soldaten, der um ein Stück Brot bat. Gab es einmal kein Fleisch mehr, ist eben ein Schaf „verreckt“ und man hatte wieder etwas.

Der Sommer 1947 war besonders heiß und trocken. Schon die Heuernte war schlecht. Die 2. Mahd, das Gramad, fiel wegen der Dürre fast ganz aus. Gott sei Dank war die Getreideernte normal. Aber alle Brunnen im Dorf waren versiegt – bis auf den unterhalb der Kirche. Dort musste man zum Wasserschöpfen in der Schlange stehen. Das war während des Dreschens ein Problem. Die Dampfmaschine als Antrieb für die Dreschmaschine brauchte dringend Wasser. Ich war beauftragt, mit dem Fuhrwerk Wasser zu holen, aber die Dampfmaschine verbrauchte das Wasser so schnell, dass ich mit dem Wasserholen kaum nachkam.

Ab 1948 normalisierte sich das Leben zunehmend und der Tauschhandel hörte auf.

Siehe auch

Ergänzende Literatur

  • Oberhochstatt - Niederhofen - Kehl 899 - 1999, Weißenburger Heimatbücher, Band 6, Weißenburg 1999, S. 81 ff